Notiz: Die Evangelisch-Reformierte Kirche in Vilnius wurde 1555 gegründet. Organisatorisch bestand die Synodalstruktur aus einem Kollegium als Konsistorium, das auf drei Jahre gewählt wurde. Mit dem Präsidenten und einem Vizepräsidenten hatte es insgesamt acht Mitglieder – zu einer Hälfte Geistliche, zur anderen Laien. Es wird heute davon ausgegangen, dass die Evangelisch-Reformierte Kirche in Litauen Mitte der 1930er Jahre an die 10.000 bis 12.000 Mitglieder besaß. Aufgrund der Okkupation Litauens durch die Sowjetunion am 15. Juni 1940 musste das Kollegium bereits am 6 Juli 1940 die Entlassung aller Angestellten anordnen und das Vermögen der Kirche wurde beschlagnahmt. Zu einer großen Auswanderungswelle kam es nach dem Vertrag zwischen Deutschland und der Sowjetunion vom 10. Januar 1941 – hier wurde geregelt, dass Deutschstämmige ausreisen durften. Da die protestantische Konfession als Nachweis ausreichte, verließen die meisten Mitglieder der Kriche Litauen. Am 23. Januar 1941 kam es schließlich auch zur Auflösung des Kollegiums. Mittlerweile hatten alle Pfarrer bis auf einen das Land verlassen. Nach dem Einmarsch der deutschen Truppen im Zuge des Kriegsbeginns gegen die Sowjetunion im Juni 1941 kam es zu keiner großen Veränderung im Bereich der Evangelisch-Reformierten Kirche: Die Besitztümer blieben weiterhin beschlagnahmt und das Kollegium blieb aufgelöst. Mit dem Rückzug der deutschen Truppen nach den Niederlagen in der Sowjetunion, kam es durch das Näherrücken der Front im Jahr 1944 zu einer weiteren Fluchtbewegung der Mitglieder der Reformierten Kirche: Bis zu 3.000 Personen flüchteten nach Deutschland und später teilweise weiter in Richtung Übersee. Gleichzeitig kam es in der Folgezeit unter der sowjetischen Herrschaft zu Deportationen nach Sibirien und weiteren Umsiedlungen nach Polen. Das Kirchenhaus war in der Sowjetzeit zu einem Kino umfunktioniert worden.
Slavenas , Mary G.: Die Evangelisch-Reformierte Kirche Litauens 1915-40 (Fortsetzung), Journal of Baltic Studies, Vol. 33, No. 3 (Fall 2002), S. 322-341, online unter: https://www.jstor.org/stable/43212486?seq=1