Notiz: Hedwig Jenny Fechheimer kommt am 1. Juni 1871 in Berlin als Tochter des Kaufmanns Israel Isidor Brühl und seiner Ehefrau Bertha Brühl geb. Norden zur Welt. Neben Hedwig und ihren Eltern besteht die Familie aus ihrer älteren Schwester Agnes und ihren beiden jüngeren Geschwistern Ernst Georg (geb. 1876 in Berlin) und Margarete (geb. 1884 in Leipzig). Agnes Brühl stirbt bereits 1874 im Alter von nur etwa 9 Jahren. 1877 zieht Familie Brühl nach Leipzig.
Israel Isidor Brühl stirbt 1895 in Leipzig, und die Familie Brühl zieht 1896 zurück nach Berlin. Hedwig hat zu dieser Zeit bereits ein Lehrerinnen-Examen in Breslau abgelegt, womit sie sich im Oktober 1896 in Berlin als Gasthörerin an der Friedrich-Wilhelms-Universität einschreiben kann. Dies ist ihre einzige Möglichkeit, die Hochschule zu besuchen. Denn Frauen werden in Berlin erst 1908 zum Studium zugelassen. So studiert sie Kunstgeschichte und Philosophie, jedoch ohne Chance auf einen anerkannten Abschluss.
Während des Studiums lernt Hedwig Brühl ihren Kommilitonen Siegfried Fechheimer kennen, den sie 1903 in Berlin heiratet. Bereits zwei Monate später stirbt Siegfried Fechheimer in Berlin an Tuberkulose. Ihre Mutter Bertha stirbt 1905. Hedwig Fechheimer widmet sich anschließend der Ägyptologie und knüpft Kontakte, u.a. zu den Ägyptologen Ludwig Borchardt, Heinrich Schäfer und Carl Einstein. 1913 beginnt Fechheimer ihre Forschung zu publizieren, u.a. in zahlreichen Aufsätzen und der 1914 bei Cassirer erschienenen Monografie „Die Plastik der Ägypter“. 1917 heiratet sie den Arzt Richard Simon, der jedoch bereits 1920 im Alter von 57 Jahren stirb. 1921 wird sie in die Sachverständigenkommission für die Ägyptische Abteilung der Staatlichen Museen zu Berlin (SMB) berufen. 1930 macht Fechheimer sich für den Tausch der sich in Berlin befindlichen Nofretete gegen eine Statue des Hohepriesters Ranefer aus Kairo stark.
1933/34 zieht Hedwig Fechheimer mit ihrer Schwester Margarete Brühl zusammen in eine Wohnung in der Helmstädter Str. 10 im Bayerischen Viertel in Berlin-Schöneberg. Beide Schwestern werden im nationalsozialistischen Deutschland als Jüdisch verfolgt, die antisemitische Gesetzgebung entzieht beiden mehr und mehr die Lebensgrundlage. So wird Margarete Brühl von ihrer Stelle als Gewerbeoberlehrerin ohne Pension entlassen und Hedwig Fechheimer aus der Sachverständigenkommission der SMB ausgeschlossen. Nach dem Tod ihres Bruders Ernst Georg 1938 unternimmt Hedwig Fechheimer mehrere vergebliche Versuche, aus Deutschland zu fliehen.
Am 18. Januar 1941 erhalten die Schwestern ein Schreiben, in dem sie aufgefordert werden, ihre Wohnung binnen drei Tagen zu räumen. Innerhalb kürzester Zeit organisierten sie daraufhin einen Umzug in die unweit gelegene Heilbronner Str. 8, wo sie zur Untermiete bei Charlotte Ochs unterkommen. Dort begehen die Schwestern Margarete Brühl und Hedwig Fechheimer Ende August 1942 Selbstmord angesichts ihrer bevorstehenden Deportation. Ihre Gräber befinden sich auf dem Jüdischen Friedhof Berlin-Weißensee.
Hedwig Brühl geb. Wasser (geb. 1890), die Witwe von Ernst Georg Brühl, wird 1943 von Berlin in das KZ Auschwitz deportiert und ermordet. Ihre beiden Kinder Rose Beate und Clemens Michael überleben die Shoah. Rose Beate gelangt über einen Kindertransport nach England, Clemens Michael flieht 1939 in die Niederlande. Dort wird er zunächst in der Quäkerschule Eerde aufgenommen, bevor er untertaucht und im Untergrund überlebt.
Anhand von Akten des Oberfinanzpräsidenten Berlin-Brandenburg ist belegt, dass der Hausrat von Hedwig Fechheimer und Margarete Brühl nach ihrem Tod vom Deutschen Reich eingezogen und „verwertet“ wird. Die Bibliothek Fechheimers findet in den Akten besondere Beachtung. Die ca. 1.500 Bände umfassende Sammlung wird 1943 auf Betreiben des Geschäftsführers der Reichstauschstelle (RTS) Dr. Adolf Jürgens von der RTS für 10.500 Reichsmark angekauft. Die Bewertung der Bibliothek erfolgt durch den Buchhändler und „Beauftragten der Reichsschrifttumskammer“ Max Niederlechner, der seinerseits 2 % des Verkaufspreises für seine Dienste in Rechnung stellt.
Die an der Preußischen Staatsbibliothek angesiedelte RTS verlagert 1944 nach der Zerstörung ihrer Dienstgebäude am Schiffbauerdamm in Berlin u.a. die Bibliothek Fechheimer in Depoträume auf Schloss Baruth in Sachsen. Dort befindet sich die Sammlung zumindest noch im August 1945, wie aus einem von Theophil Will, dem Büroleiter von Adolf Jürgens und Leiter der RTS-Dienststelle in Baruth, verfassten Bericht über den Zustand der dort eingelagerten Bücherbestände hervorgeht. Von den in Baruth nach Kriegsende dort lagernden etwa 100.000 Bänden werden etwa 82.000 von der sowjetischen Armee abtransportiert, die übrigen Bücher werden wieder nach Berlin verbracht.
Quellen
• BLHA Rep. 36A (II) 35890: Simon, Hedwig. (online: http://blha-recherche.brandenburg.de/detail.aspx?ID=2010509, Stand 12. Februar 2025)
• Briel, Cornelia: Beschlagnahmt, erpresst, erbeutet : NS-Raubgut, Reichstauschstelle und Preußische Staatsbibliothek zwischen 1933 und 1945. Berlin: Akademie Verl., 2013
• Briel, Cornelia: die Bücherlager der Reichstauschstelle. Frankfurt am Main: Klostermann, 2016
• Peuckert, Sylvia: Hedwig Fechheimer und die ägyptische Kunst : Leben und Werk einer jüdischen Kunstwissenschaftlerin in Deutschland. Berlin [u.a.]: De Gruyter, 2014
Sebastian Finsterwalder (Zentral- und Landesbibliothek Berlin), Stand vom 13. Februar 2025
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